Weblinks Kongreßbuch Körperpotenziale in der traumaorientierten Psychotherapie 2007
2.10 Sabine Trautmann-Voigt
Bindungsforschung in Bewegung
Das Bonner Modell zur Interaktionsanalyse (BMIA)
Seite 268
Abschließend sollen hier einige Ergebnisse dargestellt werden, die aus den qualitativen Auswertungen über ein Jahr hinweg sowie aus den statistischen Berechnungen mit Hilfe des BMIA hervorgingen:
In den folgenden Tabellen finden sich starke Ausprägungen eines Bewegungsverhaltens, dargestellt durch einen großen blauen Punkt, mittlere Ausprägungen durch einen mittelgroßen Punkt und geringe Ausprägungen durch einen kleinen Punkt.
Die Gegenüberstellung der Items, die hier nach den 6 ausgewählten Indikatorvariablen vorgenommen wurde, macht auf einen Blick deutlich, wie Mutter und Kind in einer gegebenen Bewegungssequenz, bezogen auf das jeweilige Item, aufeinanderbezogen sind, nämlich z.B. durch gleiche Ausprägung in einem Item (beide haben einen kleinen oder einen großen Punkt) oder durch Gegenläufigkeit in der Ausprägung (Mutter hat z.B. einen großen Punkt, Kind in derselben Kategorie einen kleinen Punkt).
Stark fokussiert, ergeben die Interaktionsanalysen mit BMIA aus dem ersten Lebensjahr bestimmte Aussagen u.a. über ein spezifisches Interaktions- und Bewegungsverhalten von Müttern, die nach einem Jahr unterschiedlich gebundene Kinder haben.
Einige Ergebnisse sind in den drei folgenden Tabellen zusammengestellt worden.
Tabelle 2
Typ A.Ausgewählte Auswertungsaspekte aus der Interpretation
der Daten
Mütter von Kindern, die nach einem Jahr unsicher-vermeidend gebunden sind,
sind in allen Qualitäten stark in Pol 0 fixiert, d.h., sie haben wenig Aktivität
aufzuweisen, um ihr Kind zu regulieren. Dies zeigt sich im affekt-motorischen
Bewegungsverhalten tendenziell zu allen vier Messzeitpunkten, z.B.:
Die Kinder sind durchschnittlich kontinuierlicher und variationsfreudiger
im Bewegungsverhalten als ihre Mütter (17, 19). Sie sind zwar in Distanz
zu ihrer Mutter, weisen aber durchgängig enge Bewegungen auf, spielen für
sich und um sich herum (14). Mütterliche Annäherungen werden, falls sie
erfolgen, durch fragmentierte Bewegungen in einem mittleren Ausprägungsgrad
abgelehnt (17). Der Bewegungsfluss der Kinder ist eher repetitiv, auch bei
Beschäftigungen mit Gegenständen (Spielzeug). Auch die Mütter sind stark
repetitv, weniger variationsreich und stark selbstbezogen und zurückgehalten,
wohingegen die Kinder, zwar repetitive, aber weder klassifizierbar zurückgehaltene,
noch eindeutig klassifizierbare expressive Bewegungsmuster (!) zeigen (11,
17).
Tabelle 3:
Typ B.Ausgewählte Auswertungsaspekte aus der Interpretation
der Daten
Mütter, die nach einem Jahr sicher gebundene Kinder haben, gleichen die
Bewegungsdynamik ihres Kindes aus. Sie sind, bezogen auf ihre Energiemobilisierung
fast durchgängig auf einem mittleren Intensitätsniveau. Sie sind sowohl in
der Lage, ihrem Kind Grenzen zu setzen, als auch ihr Kind zu stimulieren,
dies zeigt sich im affekt-motorischen Bewegungsverhalten tendenziell zu allen
vier Messzeitpunkten, z.B.:
Die Kinder und die Mütter sind bezüglich Krafteinsatz bzw. Energiemobilisierung
und Körperteilbesetzung (Einsatz von Gliedern und Torso) fast durchgängig
in optimaler Passung, d.h. auf mittlerem Ausprägungsgrad aufeinander abgestimmt
(3, 7). Dies hängt mit der stark ausgeprägten Fähigkeit der Mütter zusammen,
variationsreich, flexibel und gleichmäßig (17,19) auf das jeweils aktivierte
Bewegungsrepertoire des Kindes einzugehen und dieses bzgl. Expansionsbedürfnissen
und Raumbezug zu begleiten (11, 14).
Tabelle 4
Typ C. Ausgewählte Auswertungsaspekte aus der Interpretation der
Daten
Mütter, die nach einem Jahr unsicher-ambivalent gebundene Kinder haben,
eskalieren die Bewegungen ihres Kindes, sie sind fast durchgängig gleichläufig
aktiv, statt kompensatorisch. Dies zeigt sich im affekt-motorischen Bewegungsverhalten
tendenziell zu allen vier Messzeitpunkten, z.B.:
Ist das Kind fixiert, fragmentiert und repetitiv, so ist die Mutter dies
ebenfalls, z.B. wiederholend in einem Angebot, das offensichtlich nicht
vom Kind aufgenommen werden kann. Dadurch wird das Kind in derselben Qualität
gespiegelt und somit verstärkt (17,19). Dies zeigt sich durchgängig in allen
Kategorien (!) (3,7,11,14). Besonders augenfällig ist der starke Gegensatz
zu den Typ-B-Müttern, die auf der affekt-motorischen Ebene als feinfühlig
beschrieben werden können.
Zusammenfassend ist zur Entwicklung von bestimmtem Bindungsverhalten bei ABC-Kindern und ihren Müttern auf der Basis der ersten BMIA- Auswertungen zum Interaktionsverhalten der Mütter zu sagen:
1.) ‚Vermeidende Mütter’ sind durchgängig
stark in P 0, egal was das Kind macht, also passiv in allen Kategorien.
2.) ‚Sichere Mütter’ sind durchgängig im mittleren
Intensitätsniveau und begleiten ihre Kinder mit ausgeglichenem Körpereinsatz
und allmählichen Übergängen.
3.) ‚Ambivalente Mütter’ eskalieren die Beziehung
oder steigen aus durch Gleichzeitigkeit und Gleichläufigkeit im Bewegungsverhalten.
Sie verstärken die Erregung des Kindes: dann sind sie P 1- lastig und/oder
verlassen den Kontakt. Bei Passivität des Kindes sind sie selbst P 0 - lastig
und lassen ihr Kind ohne Regulation.
Ein erstes Fazit
Für alle operationalisierten Hypothesen wurden hohe Signifikanzen zwischen 0,05 und 0,001 erreicht.